Wenn eine Therapieschule mehr als 200 Jahre nach ihrer Entdeckung zu einem Weltärztekongress einladen kann, dann bin ich schon imponiert. Ich kenne auch genug Kolleginnen, die von der Wirksamkeit einer homöopathischen Behandlung überzeugt sind. Skeptiker sagen: alles nur Placebo? Ja, wenn schon, aber ein heilsames Placebo, ohne Nebenwirkungen – warum denn nicht?
Nachdem ich Hartmut Rosas Buch zur Resonanztheorie gelesen habe, würde ich behaupten: die homöopathische Behandlung ist mehr als Placebo und hat nicht zu vernachlässigende Nebenwirkungen. Und da denke ich nicht an tödlich verlaufene Krankheiten, die statt beim Homöopathen besser beim Chirurgen behandelt wären.
Ich mache also den Versuch, die Homöopathie resonanztheoretisch zu erklären: denn erst mal hat eine homöopathische Behandlung alle Qualitäten einer Resonanzerfahrung. Auf der horizontalen Resonanzachse vibriert der Beziehungsfaden zwischen der verständnisvollen Homöopathin und dem Patienten: sie nimmt sich Zeit, hört verständnisvoll zu und kommt dann zu einem genau auf die aktuelle Situation passenden Therapievorschlag. Die von der Krankenkasse bezahlten „Kügelchen“ erfüllen alle Bedingungen einer diagonalen Resonanzachse: sie schaffen jede Stunde, genau abgezählt, ein hoffnungsvolles Resonanzerleben. Dann noch die vertikale Resonanzachse: Die Homöopathin wird geschätzt wegen ihrer Autorität, sie beruft sich auf ein jahrhundertealtes Therapieverfahren und verbindet dies mit dem Versprechen, dass ihre Medizin sanft ist, im Einklang mit der Natur. Diese dreifache Resonanzerfahrung ist wirkmächtig und heilend.
Doch: erfüllen diese Erfahrungen alle von Rosa definierten Bedingungen für Resonanz? Die erste Bedingung: „ich lasse mich berühren“ mit Sicherheit ja. Die zweite Bedingung: „ich kann darauf antworten“ wohl auch – immerhin gibt es ein anregendes Gespräch, eine gute Beziehung, ganz ohne Hektik. Vielleicht ist auch die dritte Bedingung erfüllt: „ich erlebe eine Veränderung“, ich erlebe eine „Anverwandlung“ – ich bin nach der Therapie ein anderer Mensch, genau hier zeigt sich wohl das Geheimnis der „Heilung“. Nur bei der letzten und für mich grundlegenden Bedingung hakt es: „die Welt wird als grundsätzlich unverfügbar erlebt“. Hier bleibt die homöopathische Resonanzerfahrung für mich ein leeres Versprechen – sie gesellt sich im Gegenteil zu den Vertretern der Schulmedizin, die sich mit unterschiedlichen Methoden die Welt verfügbar machen wollen. Nur: wer sich die Welt verfügbar machen will, muss sich der Kritik stellen. In der aufgeklärten Welt heißt diese Kritik Wissenschaft. Wer Resonanzerfahrungen möglich machen will, muss sich der lebendigen Natur stellen und sich von der Unverfügbarkeit der Welt überraschen lassen. Wer sich dabei Heilung erhofft, kann auf Kügelchen verzichten.
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