Einen digitalen Doppelgänger zu haben, wirkt auf den ersten Blick befremdlich, leuchtet dann aber durchaus ein. Soll doch unser virtueller Doppelgänger erst mal die Therapie ausprobieren, und wenn es hilft, können wir uns selber trauen. Als ehemaliger Hausarzt weiß unser Patient von den Widerständen gegen jegliche Digitalisierung der Medizin, der problematische Datenschutz reichte als Erklärung, um Veränderung zu verlangsamen. Letztlich war aber der ökonomische Druck stärker und das Gesundheitswesen wurde vernetzt, der Patient vermessen und das gesamte medizinische Wissen wurde auf Knopfdruck abrufbar. Es gab ab dann auch nicht mehr „den Diabetes“, die „Leukämie“, sondern „meine individuelle Stoffwechselstörung“, „meine prämaligne Zellveränderung“ und eine auf meine genetische Situation angepasste Therapie. Welch ein Fortschritt – werden unsere Patienten sagen.
Nur – wird der Hausarzt dann zum medical coach, der uns durch unsere digital erforschte Lebenswelt leitet oder brauchen wir dann noch die Hausärzt*in, die uns mit der Lebendigkeit unseres Lebens versöhnt und gemeinsam auslotet, was das Leben an Überraschungen bietet. Vieles in unserem Leben wird geheimnisvoll bleiben.
So sieht das auch der Enkel unseres Patienten – er wollte eigentlich Arzt werden, sieht aber wie wenig spannend dieser Beruf wird, wenn er nur noch wie ein Pilot auf die Computertechnik vertraut. Ich glaube, dass es den meisten unserer Facharztkollegen so ergehen wird. Nur dem Hausarzt verbleibt eine kreative Zukunft, denn im Sprechzimmer der Allgemeinmediziner*in werden sich die Personen mit ihrer Lebendigkeit und Verletzlichkeit sammeln. Lebendigkeit und Verletzlichkeit lässt sich nicht in Algorithmen abbilden. Und: die digitale Medizin erledigt viel langweilige Routinearbeit für uns – wir haben endlich für das Wesentliche Zeit.
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